Landeskirchliches Archiv

Kassel

mehr als 200.000 Dokumente und 1,3 Mio. Digitalisate, 800 n.Chr. - 21. Jahrhundert

25 Jahre Landeskirchliches Archiv: Glaskunst, 3.000 Laufmeter Archivbestand und «Digitales Magazin»

Vor einem Vierteljahrhundert wurde Richtfest gefeiert. Unser Foto zeigt ein 3D-Modell des Archivs in der Kasseler Lessingstraße. Im Hintergrund ist ein Foto vom Richtfest im Jahr 1996 zu sehen. (Foto: medio.tv/Schauderna)

Kassel (medio). Im Landeskirchlichen Archiv in der Kasseler Lessingstraße gibt es nicht nur jede Menge archivierte Kirchendokumente. Dort wird auch Kirchenkunst bewahrt. Wie zum Beispiel ein Bestand des Glaskünstlers E. Jakobus Klonk. Seine Kunst gehört zu Kirchen und Gemeindehäusern in Hessen und mehreren angrenzenden Bundesländern. Der Künstler übergab dem Archiv bereits 2011 zahlreiche aquarellierte Zeichnungen, mit denen er im Maßstab 1 zu 10 vor allem Glasmalereien entworfen hatte. Darunter auch der Entwurf für ein giebelfüllendes Dreiecksfenster im Evangelischen Freizeitheim in Naumburg. Die abstrakten Formen mit zurückhaltender Farbigkeit im dortigen Kapellenraum bildeten fast drei Jahrzehnte lang den künstlerischen Hintergrund für Andachten und Seminare. Das Haus wurde zwar Ende 2020 auf Beschluss des Rates der Landeskirche geschlossen und steht zum Verkauf, doch das Klonk-Fenster bleibt als Entwurf im Archiv dauerhaft bewahrt.

Der Vizepräsident der Evangelischen Kirche, Dr. Volker Knöppel, informierte sich im November 2021 über den Bestand des Archivs, das er von 25 Jahren als Baureferent zusammen mit Archivleiterin Dr. Bettina Wischhöfer auf den Weg brachte. Vor einem Vierteljahrhundert wurde Richtfest gefeiert und ein Jahr später weihte Bischof Prof. Dr. Christian Zippert das Archiv feierlich ein, heißt es in einer Mitteilung des Büros des Vizepräsidenten.

Vizepräsident Knöppel und Archivleiterin Wischhöfer präsentieren den Entwurf für das Glasfenster im ehemaligen Freizeitheim in Naumburg-Elbenberg. (Foto: medio.tv/Schauderna)

Die Bestände umfassen heute 3.000 laufende Meter, von denen rund Dreiviertel erschlossen sind. Recherchiert werden kann in 185.000 Datensätzen und 53.000 digital zugänglichen Fotos. Das kann nach Absprache vor Ort oder auch online im Archivportal-D der Deutschen Digitalen Bibliothek oder dem Angebot Archives Portal Europe geschehen. Kirchenbücher stehen außerdem im Webportal Archion zur Verfügung. Neben den digitalen Recherche-Möglichkeiten bietet das Archiv seit 2020 auch virtuellen Ausstellungen über das Ausstellungswerkzeug DDBstudio der Deutschen Digitalen Bibliothek an. So z.B. auch zu der Glaskunst von E. Jakobus Klonk.

Und auch die die Zukunft des Landeskirchlichen Archivs dürfte digital geprägt sein. So sei ein «Digitales Magazin», also ein Speichermanagement-System angedacht, das das Archiv bei der Langzeitarchivierung von digitalen Unterlagen, wie z.B. digitalen Kirchenbüchern, unterstützt.  (10.11.2021)

 

„Du wirst staunen, du wirst lachen …“ – Neue DDBstudio Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs Kassel mit den Kanons des Herbert Beuerle

Der Komponist Herbert Beuerle (1911 – 1994) war von 1952 bis zu seinem Ruhestand Kantor im Burckhardthaus Gelnhausen und langjähriger Singwart im Christlichen Sängerbund. Sein Einfluss als Chorerzieher und Ausbilder von ehrenamtlichen Chorleitenden war groß. Beuerle hatte eine besondere Begabung, in der Gemeinde und auch auf Kirchentagen viele für das Singen zu begeistern. Nicht zuletzt dafür komponierte er Kanons, die – einfach zu singen – gleichzeitig musikalisch gehaltvoll und gut sind. Neben zahlreichen Instrumental- und Kirchenliedkompositionen – genannt sei hier nur „Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist“ (EG 277) – hat er knapp neunhundert Kanons geschaffen. Wo andere eine Grußkarte schreiben, hat er einen Kanon komponiert.

Landeskirchliches Archiv Kassel, Depositum Nachlass Herbert Beuerle Nr. 2138a. Komposition und Text Herbert Beuerle 1958, Kanon für 3 oder 4 Stimmen.

Mit dem Ausstellungstool DDBstudio präsentiert die Kultur- und Wissenseinrichtung Landeskirchliches Archiv ihre Objekte in virtuellen Geschichten neu. Aus den gut 200 unveröffentlichten Kanons wählte Kuratorin Bettina Wischhöfer 16 meist drei- und vierstimmige Kanons aus, die zwischen 1958 und 1992 entstanden sind. In den Miniaturen vertonte Beuerle Alltagssituationen (Tür zu!) wie auch Lebensweisheiten (Un wat mer nit im Kopp hät). Teils stammten auch die Texte von Beuerle, teils griff er auf Redensarten, Aphorismen oder Epigramme zurück.

In die Ausstellung sind auch Audio-Dateien eingebunden. Die Aufnahme der Kanons hat am 7. Juli 2021 in der Stadtkirche Wolfhagen stattgefunden – an einem wunderschönen Sommerabend. In Kooperation mit Kantor und Kirchenmusikdirektor Bernd Geiersbach und zwölf Sänger*innen wurden 16 Kanons eingesungen.

Die virtuelle Ausstellung in der Deutschen Digitalen Bibliothek ist in Bild und Ton unter dem Link https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/beuerle-kanons/ abrufbar.

Bettina Wischhöfer

„Ich war ein Missale“ – Ausstellung in der Deutschen Digitalen Bibliothek

Das Projekt „Digitale Erschließung von Einbandfragmenten in kirchlichen Archiven aus Kurhessen-Waldeck“ hat das Landeskirchliche Archiv Kassel zwischen 2003 und 2017 – mal mehr, mal weniger – beschäftigt. 736 hoch spannende Einbandfragmente konnten in dieser Zeitspanne gefunden und erschlossen werden. Viele waren daran beteiligt, allen voran Konrad Wiedemann.

Die ddbstudio-Ausstellung „Ich war ein Missale – Recycling mittelalterlicher Handschriften im 16. und 17. Jh.“ präsentiert online exemplarisch die ganze Bandbreite entdeckter Fragmente, die auf zahlreichen liturgischen, aber auch medizinisch-pharmazeutischen, juristischen, hebräischen und mittelhochdeutschen Texten gründen.

Der Handel mit Pergamenthandschriften als Material für Bindungen nahm seit den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts einen starken Aufschwung. Die Entwicklung des Buchdrucks steigerte den Bedarf enorm. Im Zuge der Reformation verloren viele liturgische Handschriften ihre Funktion. Klöster wurden aufgelöst und Kirchengemeinden traten zum evangelischen Glauben über.

Landeskirchliches Archiv Kassel, Pfarrarchiv Allendorf, Graduale 15. Jahrhundert (ohne Trägerband).

Nach Auflösung der Klöster wurden die scheinbar wertlosen Pergamente, auch ganze Pergamentcodices, zweckentfremdet. Buchbinder lösten aus den Holzdecken Bogen für Bogen und verwendeten das Material zur Heftung von Kirchenrechnungen oder als schützenden Einband für Kirchenbücher.

Der wichtigste Einbandwerkstoff war das beschriebene Pergament. Papier als Werkstoff findet sich eher als Stärkung in Einbänden, selten als äußerer Einband.

Heute gelten die damals recycelten Handschriften als hohe Zeugnisse kultureller Tradition. Anders im 16. Jahrhundert, als sich der Buchdruck ausbreitete. Viele bisher nur als Handschrift vorliegende Texte waren nun in „modernen“ Ausgaben verfügbar. Wer die Mittel hatte, ersetzte das Manuskript durch einen Druck. Die nun häufig als Einband verwandten Schriften waren durch die Liturgiereformen des Konzils von Trient unzeitgemäß geworden. Die Festlegung auf ein Einheitsbrevier 1568 (Brevier = Gebetsbuch) und ein Einheitsmissale 1570 (Missale = Texte der Messe für das liturgische Jahr) führten dazu, dass die Handschriften ihre eigentliche Funktion verloren. Als Folge der Reformation wurde die Bedeutung des Lateinischen als Sprache der Kirche zudem zurückgedrängt.

Zur Ausstellung: https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/einbandfragmente/

Literatur: Konrad Wiedemann, Bettina Wischhöfer, Einbandfragmente in kirchlichen Archiven aus Kurhessen-Waldeck (Schriften und Medien des Landeskirchlichen Archivs Kassel 21), Kassel 2007.
Konrad Wiedemann, Einbandfragmente kirchlicher Provenienz aus Kurhessen-Waldeck (Schriften und Medien des Landeskirchlichen Archivs Kassel 37), Kassel 2017.

Bettina Wischhöfer

Landeskirchliches Archiv Kassel – Statistik 2020

Das Pandemiejahr 2020 war auch im Archiv ein besonderes. Während der harten Lockdown-Phasen war der Lesesaal geschlossen. Das spiegelt sich in den Benutzungszahlen vor Ort wieder: im Durchschnitt 65 % weniger Benutzer und 76 % weniger Benutzungstage als in den Referenzjahren 2017 – 2019. Es waren 55 % weniger Einnahmen durch genealogische Benutzung und Anfragen zu verzeichnen. Familienforschung wurde vermehrt im Internet via Archion betrieben. Wissenschaftliche Nutzer kamen konzentrierter, dienstliche Nutzung wurde ermöglicht.

Stark betroffen war auch der Bereich der Archivpflege vor Ort. 20 % weniger Termine als im Referenzzeitraum 2017 – 2019 konnten von den beiden Sachbearbeitenden absolviert werden. Die geplanten Fortbildungen im Bereich Archivpflege sind komplett ausgefallen.

Die Bestands-Neuzugänge blieben mit 53 lfm 2020 rund 30 % unter dem Durchschnitt von 2017 – 2019. Der Umfang der jährlichen Verzeichnungseinheiten lag um 20 % unter dem Durchschnitt des Referenzzeitraums.

Nahezu unverändert geblieben ist der Postausgang (zumeist per Mail).
Wie zu erwarten war, blieb die Nutzung unserer Website nahezu unverändert. Archivportal-D und insbesondere das Kirchenbuchportal Archion wurden vermehrt frequentiert.

Dank des DDB-Ausstellungstools konnten im Bereich der Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit mehrere digitale Ausstellungen platziert werden.
Berichte und Beiträge von und über das Archiv lagen 55 % über dem Durchschnitt des Referenzzeitraums.

Unabhängig von der Pandemie hat sich der Stellenplan im Jahr 2020 von fünf auf vier Mitarbeitende verringert (minus 20 %). Hier greift das Zukunfts-Einsparkonzept der Landeskirche.