Landeskirchliches Archiv

Kassel

mehr als 200.000 Dokumente und 1,3 Mio. Digitalisate, 800 n.Chr. - 21. Jahrhundert

Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs in der Schlosskirche in Ziegenhain – „Pfarrhelferin, Vikarin, Pfarrerin. Theologinnen in Kurhessen-Waldeck“

Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs Kassel in der Schlosskirche in Ziegenhain im September 2023 (Aufbau und Platzierung Thomas Gothe und Peter Heidtmann-Unglaube, Foto: Thomas Gothe).

So lautet der Titel einer Ausstellung in der Schlosskirche in Ziegenhain. Am 5. September 2023 wird sie mit einem Vortrag von Pröpstin Katrin Wienold-Hocke eröffnet. Herzlich lädt der Verein zur Förderung der Konfirmationsstadt dazu ein. Die Fertigstellung der 2. Figur der Bronzeskulptur vor der Kirche ist der Anlass. Bisher steht lebensgroß und in Bronze gegossen nur Landgraf Philipp der Großmütige dort. In der Hand hält er die Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung von 1539 und erinnert damit an die Einführung der Konfirmation in Ziegenhain. Die 2. Figur wird am 3. Advent neben ihm feierlich enthüllt werden. Sie stellt eine Pfarrerin dar, die einen Konfirmanden segnet. Heute etwas völlig Selbstverständliches. Im Mittelalter undenkbar. Eine Brücke zur heutigen Zeit soll mit dieser Figur geschlagen werden; denn mittlerweile sind Pfarrerinnen in den Gemeinden fest verankert. Wer hätte gedacht, dass die Geschichte der ordinierten Pfarrerinnen auch in der evangelischen Kirche noch so jung ist! Zum Pfarramt waren die Theologinnen nicht zugelassen. Das hat sich erst mit dem Jahr 1961 geändert. 2012 haben wir in einem großen Gottesdienst und einem bewegenden Festakt 50 Jahre Frauenordination in unserer Landeskirche gefeiert. Begleitend dazu ist die sehenswerte Ausstellung entstanden. Sie skizziert anhand von Fotos, Biogrammen und Erinnerungen früherer Pfarrerinnen die schwierigen Bedingungen, unter denen Frauen anfangs ihren Dienst ausüben mussten. Lange Zeit durften sie lediglich als Pfarrhelferinnen Unterstützungsdienste leisten. Bei einer Verheiratung schieden sie aus. Im 2. Weltkrieg waren viele Kirchengemeinden verwaist, die Pfarrer an der Front. Die Frauen sprangen als Vikarinnen ein. Später regelte ein Kirchengesetz, dass sie vornehmlich gegenüber Frauen und Kindern eingesetzt werden sollten (Jugendstunden und Krankenhausseelsorge). Das änderte sich nach anhaltenden Protesten einiger engagierter Theologinnen.  Am 8. Dezember 1961 beschloss die Landessynode in Hephata nach leidenschaftlichen Diskussionen die Ordination von Frauen. Ab da konnten sie endlich ein Gemeindepfarramt übernehmen. Von Gleichstellung war aber noch lange keine Rede. Ein Aufstieg war den Pfarrerinnen grundsätzlich versagt mit der Begründung, sie hätten „in der Regel keinen Mann und keine Abkömmlinge zu unterhalten“. Männliche und gesamtgesellschaftliche Vorbehalte gegenüber „Fräulein Pfarrerin“ waren damals an der Tagesordnung. Ein Dekan schrieb: „Ich rege an, von Frau K. eine Liste ihrer Erkrankungszeiten zu erstellen und ihre Autounfälle mit Reparaturkosten angeben zu lassen…“. Ein anderer meinte, dass man die Pfarrerin in ländlichen Kreisen wegen ihres „mac up“ und jeglichen Fehlens eines Verständnisses für ländliche Verhältnisse ablehne. Einer Pfarrerin wurde vorgeworfen, sie sei nicht ordentlich frisiert, trage zu lange Kleider und rauche Zigaretten. Das veranlasste ein weibliches Gemeindeglied zu fragen: „Würde man einem männlichen Pfarrer gegenüber genauso vorgehen: er rauche Zigaretten, trage unmoderne Anzüge und ungepflegte Haare?“

Wie gut, dass die Zeiten sich geändert haben! 1986 wurde die erste Dekanin in ihr Amt eingeführt. 1990 die erste Pröpstin und 2003 die erste Prälatin. In allen drei Fällen war es die Pfarrerin Roswitha Alterhoff. Lassen Sie sich entführen in eine amüsante, interessante und bewegende Dokumentation, die vom Landeskirchlichen Archiv in Kassel unter der Leitung von Bettina Wischhöfer 2012 gestaltet wurde.

Die Ausstellung wird im Monat September durchgängig zu sehen sein. Die Schlosskirche ist geöffnet (Paradeplatz 3, 34613 Schwalmstadt).

Marita Natt

Vizepräsidentin Dr. Apel in der „Erlebniswelt Archiv“ zu Besuch

Vizepräsidentin Dr. Katharina Apel (Mitte), Archivleiterin Dr. Bettina Wischhoefer (l.) und ihr Stellvertreter, Peter Heidtmann-Unglaube (r.) mit dem Original eines Orgelbau-Angebots aus dem Jahr 1840 für den Bau einer neuen Orgel im Heimatort der Vizepräsidentin in Hilgershausen. (Foto: medio.tv/Schauderna)

Kassel. Aufbewahren, erschließen, nutzbar machen und vermitteln – die Aufgaben des Landeskirchlichen Archivs sind vielfältig. Einen ersten Eindruck von der wichtigen Arbeit konnte Vizepräsidentin Dr. Katharina Apel jetzt bei ihrem Antrittsbesuch am 3. Juli gewinnen. Archivleiterin Dr. Bettina Wischhöfer und ihr Stellvertreter Peter Heidtmann-Unglaube führten sie durch die Archivräume und erläuterten, wie Entscheidungen, Handlungen und Erinnerungen der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und ihrer Vorgängerinstitutionen bewahrt und einer Erschließung zugänglich gemacht werden.

In fünf Magazinen werden aktuell 3.000 laufende Meter Akten und auch Baupläne verwahrt, teilte das Archiv mit. Recherchiert werden könne in einer Datenbank mit 190.000 Datensätzen und 53.000 digitalisierten Fotos. Rund 1,7 Mio Images der dezentral verwahrten Kirchenbücher der Landeskirche seien über das Kirchenbuchportal Archion.de, Deutschlands größtem Portal für digitalisierte Kirchenbücher, verfügbar. Betrieben wird das Portal von der Kirchenbuchportal GmbH, die gerade ihr zehnjähriges Bestehen und eine erste Gewinnausschüttung feiert, so Archivleiterin Dr. Wischhöfer. Das sei eine Erfolgsgeschichte, an der das Landeskirchliche Archiv Kassel mitgewirkt habe.

Das Archiv könne aber nicht nur mit Dokumenten der jüngeren Vergangenheit, sondern auch mit wahren historischen Schätzen aufwarten. Durch die Praktik, Bögen aus aufgelösten klösterlichen Pergamentcodices im 16. und 17. Jahrhundert als schützende Einbände von Kirchenrechnungen zu verwenden, reiche die Überlieferung bis in das 9. Jahrhundert zurück. Kirchenbücher wie Rechnungen seien seit der Reformationszeit überliefert. Der Schwerpunkt der Bestände setze im 19. Jahrhundert ein: Konsistorialakten, Pfarrarchive, Vor- und Nachlässe sowie Sammlungen (wie etwa zu Vasa sacra oder Kirchlichen Gebäude).

Wie spannend und aufschlussreich die Spurensuche in der Geschichte des eigenen Heimatortes sein kann, konnte die Vizepräsidentin bei ihrem Besuch selbst erleben: Das Archiv hatte für die gebürtige Hilgershäuserin und Organistin Unterlagen aus der Orgeldatei des Landeskirchenmusikdirektors zur Orgel in Hilgershausen herausgesucht. Außerdem lagen Akten aus dem Pfarreiarchiv zur kirchlichen Kirschenplantage 1882 und 1886 und Taufdaten aus den digitalisierten Kirchenbüchern.

Die Vizepräsidentin zeigte sich beeindruckt von der Arbeit des Landeskirchlichen Archivs und betonte zum Schluss ihres Besuchs: «Archive sind die Wächter unserer Vergangenheit, die Schlüssel zu unserem kollektiven Gedächtnis. Sie werden lebendig, wenn sie sich öffnen. Durch das Erleben alter Dokumente und Akten wird Geschichte greifbar – diesen Eindruck nehme ich heute mit.» (Text: medio.tv vom 05.07.2023)